Doris Dörrie: Und was wird aus mir?

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Von Britta Kuntoff
Buhrufe hat sie ihr eingebracht und Kritikerschelte, wurde gar von der Zeitschrift Opernwelt 2005 zum „Ärgernis der Saison“ gewählt: Die Rigoletto-Inszenierung, die Doris Dörrie am Bayrischen Nationaltheater in München auf die Bühne brachte.
Die Filmemacherin (u.a. „Männer“, „Happy Birthday, Türke“ und „Keiner liebt mich“) scheint kein Händchen für die Umsetzung von Guiseppe Verdis Oper vom buckligen Hofnarr Rigoletto zu haben. Zumindest keines, das beim Publikum auf Wohlwollen stößt.
Und so ähnlich wird es ihr auch mit ihrem neuen Roman „Und was wird aus mir?“ gehen, bei der Verdis Geschichte wieder den Hintergrund der Handlung spielt. Hatte Dörrie auf der Opernbühne noch ihre Version der Story vom innigen Vater-Tochter-Verhältnis an die Handlung des Filmklassikers „Der Planet der Affen“ angelehnt, so lässt sie jetzt die Figuren im Roman in der Scheinwerfer- und Leinwand-Welt Los Angeles’ agieren.
Im Buch begegnet man Johanna, deren Stern in einem einzigen Siebziger-Jahre-Film am Kinohimmel erstrahlte, die danach aufgrund fehlender Rollenangebote zwanzig Jahre lang als Requisiteurin arbeitete, bis ein vergessener blauer Müllsack sie zur Strecke brachte. Schmacherfüllt und Zuflucht suchend flüchtet sie nach L.A., zu jenem Regisseur, der sie einst groß raus brachte. Der – wie Regisseure vor 30 Jahren das nun mal so taten – eine abgewetzte schwarze Lederjacke zu viel zu engen Jeans trug. Denen, die jetzt immer noch nicht an Fassbinder denken, winkt Dörrie mit dem Namenswahl-Zaunpfahl: Rainer.
Aus diesem ambitionierten Künstler von damals ist heute ein Hitler-Sitcom-Komparse geworden. Seine Angst vor dem Altern ist nur noch der des Gustav von Aschenbach aus dem „Tod in Venedig“ vergleichbar.
Rainer liebt seine Tochter Allegra abgöttisch, eine fünfzehnjährige Göre mit Paris-Hilton-Sehnsüchten, die von ihrer Model-Mutter aus dem heimatlichen Flensburg zu Papa nach Hollywood geschickt worden ist. Genau wie in der Oper verliebt sich die Tochter jedoch in den Falschen. Es braucht nur noch ein paar kurios-krude Zutaten wie den Produzenten Marko Körner und seinen goldfarbenen Jaguar und Misako, den Geist eines japanischen Mädchens, das von einem Medium namens Heidi gechannelt wird – und heraus kommt eine echte Tragödie, fast wie in Hollywood. Die Leiche im Sack(-kleid) gehört zum Rigoletto-Finale und darf auch im Roman nicht fehlen.
Jede Figur aus dem Personal des Romans ist umhüllt von Einsamkeit, unfähig, diesen Kokon aufzubrechen. Alle sind damit beschäftigt, ihre Fassaden aufrechtzuerhalten.
Selbst Klein-Lieschen ahnt: Die Filmindustrie ist ein Haifischbecken. Eine Welt aus Botox, Porzac, schneeweißgebleichten Zähnen und Eigenfettimplantaten im Po. Völlig verroht, zynisch, brutal und dekadent. Daß alle Personen des Romans versuchen, in dieser entmenschtlichten Gesellschaft zu überstehen, ist ihre traurige Gemeinsamkeit.
Obwohl Doris Dörrie die Charaktere mit drastischen Eigenarten versieht, von ihrem Innenleben erzählt, gibt es niemanden, mit dem man mitfühlt. Die Personen gewinnen selbst über 420 Seiten nur unscharfe Konturen und bleiben schemenhaft. Mir jedenfalls fiel es schwer, mich ihnen zu nähern.
Vielleicht liegt das an ihrer allzu klischeehaften Ausstattung, die ähnlich konstruiert wirkt wie die Handlung des Buchs. Nicht nur, weil Strommasten in Swimmingpools fallen wie andernorts Stählen von Bahnhöfen bei Sturm.
„Und was wird aus mir?“ hat mir nur wenig gefallen, genau wie Dörries letzter Kinofilm „Der Fischer und seine Frau“, bei der sie die Geschichte des gleichnamigen Märchens adaptierte und in die Gegenwart versetzte. Die Idee, einen klassischen oder altbekannten Text in einen neuen Kontext zu transformieren, ist leider bei diesem Roman misslungen.
Das Buch ist ähnlich lesenswert wie eine fast verbrannte Steinofenpizza. Aber da wären wir ja wieder bei Verdi: Die Rigoletto-Oper ist selbst Laien im Hören von klassischer Musik aus der Werbung für Tiefkühlprodukte bekannt: „La donna é mobile“.

Doris Dörrie: Und was wird aus mir?
Roman, erschienen bei Diogenes 2007, 356 Seiten, 21,90 Euro

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