Alessandro Piperno: Mit bösen Absichten

Mit bösen Absichten

Da gibt’s einen Italiener, 33 Jahre alt, Dozent für französische Literatur in Rom. Der schreibt ein Buch, sein erstes: Mit bösen Absichten. Eine Saga über eine jüdisch-römische Familie, ihren Auf- und Abstieg von den 30er Jahren bis hin zur Gegenwart. Der Mann heißt Alessandro Piperno. In der Fachwelt wird er schon als der neue Umberto Eco gehandelt. Dabei möchte er doch eher wie Marcel Proust klingen.
Die Geschichte des Sonnino-Clans, um den es in Pipernos Debüt geht, ist schwer nachzuerzählen. Niemand ist normal, alle sind besonders. Und so kommen denn auch die Figuren und ihre Gedanken daher: versponnen, verschachtelt, verwundet und vernarbt. Bepy etwa, der Ur-Großvater, Lebemann und Schürzenjäger und als solcher lieber tot durch Blasenkrebs als impotent vor der dreißig Jahre jüngeren Geliebten … Luca, der Sohn Bepys, als Albino äußerlich andersartig und von seinem Vater zum extravaganten „Fürst der Oberflächen“ erzogen. Theo, der Bruder Lucas’, der nach Israel auswandert und sich dort, entgegen der allgemeinen und vor allem Bepys Familiengesinnung, den Zionisten anschließt. Und dann sind da noch die exaltierten Enkel: Theos Sohn, der auf Plateauschuhen seinen Eltern seine Homosexualität gesteht. Und der Strumpfhosenfetischist Daniel, der als Neunjähriger in das Geheimwissen von der lebenslangen Vitalität vom Großmeister Bepy höchstpersönlich eingeweiht wird: ein Tennismatch, eine ordentliche Abreibung mit Kölnisch Wasser kombiniert mit Geschlechtsverkehr.

Daniel erzählt die Geschichte der Sonninos. Ruhig und unnachgiebig nimmt er sich jeden einzelnen der verlogenen Gesellschaft vor. Alle müssen auf die Couch. Manchmal schön zotig und vor allem: so gar nicht jüdisch. Man braucht eine Weile, um das Ketzerische aus den Schachtelsatzkaskaden heraus zu lesen. Der Zynismus Pipernos offenbart sich nicht vordergründig und nur im Ganzen. Am Ende liegen sie alle da: nackt, verletzlich und so menschlich, dass sie einem ans Herz wachsen. Fast könnte man meinen, sie wohnen drei Straßen weiter und man kann mal schnell anrufen, um die nächste Damen-Canaster-Runde zu planen …

Unbedingt zu empfehlen. Vorsicht: keine Urlaubslektüre.

(Diese Rezension erschien auch auf dem buchblog von germanblogs.)

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